Von Stella LimIn meinem Deutsch 131 Goethe Kurs dieses Semester haben wir viele Werke von Johann Wolfgang von Goethe gelesen, große Werke wie Faust und die Leiden des jungen Werthers und kleinere Gedichten wie „An den Mond“ und „Willkommen und Abschied“. Mein Lieblingsgedicht war ohne Frage die „Marienbader Elegie“, welche Goethe im Jahre 1823 nach einem misslungenen Heiratsantrag und der anschließenden Trennung mit Ulrike von Levetzow verfasst hat.

Eine Elegie ist ein Klagegedicht, welches ein trauriges, sehnsüchtiges Thema sowie den Tod einer geliebten Person hat. Wir können schon am Titel sehen, dass Goethe mit dem Gedicht die unerfüllte Liebe zu Ulrike lamentiert, und dadurch versucht, seinen Schmerz auszudrücken um sich damit auseinanderzusetzen.

Das Gedicht klingt fast so wie eine Zusammenfassung der kurzen Beziehung und anschließenden Trennung zwischen Ulrike und Goethe: Es fängt mit der Erwartung eines Wiedersehens an, schildert die kurze Begegnung und beschreibt die zwei Küsse, die Goethe sehr genau analysiert, stellt den Abschied und Goethes Schmerz wegen der Trennung dar, widmet einen großen Teil einigen Strategien, wie man über jemanden hinwegkommen kann, und endet mit Goethes endgültigen Verzweiflung über seine traurige Lage. Diese Methoden, die Goethe benutzt, um sich zu trösten und sich eine bessere Realität vorzustellen scheinen am Ende doch nicht zu wirken, und lösen möglicherweise in ihm die bodenlose Trauer über seine aussichtslose Situation aus. Jedoch ist vielleicht der Akt des Schreibens dieses wunderschönen und ergreifenden Gedichts das Heilmittel für den Liebeskummer, nach dem Goethe sich so sehr seht.

Der Hintergrund zur Entstehung des Gedichts ist fast so tragisch wie die eigentliche Elegie selbst: Als Goethe Anfang 1822 eine Herzbeutelentzündung hatte, besuchte er die Heilquellen im böhmischen Marienbad um seine Krankheit zu lindern. Er fühlte sich nach seinem Aufenthalt stark verjüngt und verliebte sich kurz danach in Ulrike von Levetzow, nachdem er sie und ihre Mutter in Marienbad traf. Zu dieser Zeit war er 72 Jahre alt, während Ulrike 17 war. Zwei Jahre später, bei seiner 74-jährigen Geburtstagsfeier, bat er mit Hilfe seines Freundes, dem Großherzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach, bei Ulrikes Mutter um ihre Hand. Kurz vor seiner Abreise lehnte Ulrike seinen Heiratsantrag höflich ab und schon auf der Kutschenfahrt nach Hause fing Goethe an, die Marienbader Elegie zu schreiben. Er schrieb das Gedicht innerhalb von einer Woche und zeigte es danach nur seinen vertrautesten Freunden. Ulrike war Goethes letzte leidenschaftliche Liebe vor seinem Tod im Jahre 1832 und er widmete sich nach ihrer Abweisung stattdessen vollkommen seiner Arbeit zu.

Das Gedicht kann möglicherweise als ein Ablauf von Goethes Liebe und späterem Schmerz gelesen werden, wobei das lyrische Ich die Figur Goethes darstellen soll. Die Elegie fängt mit der Erwartung eines Wiedersehens an und mit der Frage, was er von diesem Wiedersehen erhoffen kann. Er weiß zu dem Zeitpunkt, an dem er das Gedicht schrieb, bereits, dass Ulrike ihn nicht liebt. Ist diese Frage also rein rhetorisch gemeint? Soll er von dem Wiedersehen erwarten, dass sie ihn wie eine Vaterfigur behandelt, oder vielleicht, dass sie ihn nach einer kurzen Zeit der Trennung nun doch liebt?

Der Höhepunkt des Gedichts befindet sich in Strophe 14-16. In diesen Strophen schildert Goethe seine vollkommene Hingabe und Liebe für Ulrike (oder eher das Gebilde, welches sich in seinen Gedanken befindet). Er schreibt, dass die Liebe für ihn fast wie ein religiöses, heiliges Erlebnis ist, und dass er durch diese Hingabe die selige Höhe erreichen kann. Seine Liebe gleicht einer Religion in der Hinsicht, dass Goethe Ulrike fast bedingungslos liebt, so wie eine religiöse Person, die ein göttliches Wesen bedingungslos verehrt. Er vergleicht den Frieden Gottes mit dem heiteren Frieden, den er nur durch die Gegenwart seiner Geliebten erhalten kann. Nur durch diesen Frieden des Zusammenseins kann sein Herz ruhen. Man kann dies mit seiner Aussage in Strophe 6 vergleichen, in der er schreibt, dass sein Herz nach seiner Zurückweisung nun mit Missmut, Reue, Vorwurf, und Sorgenschwere belastet ist. Dies kann nur gelöst werden, indem er mit Ulrike zusammen ist. Die selige Höhe bespricht er in mehr Detail in Strophe 16, indem er sie zu den Naturgewalten, der Sonne und den Frühlingslüften vergleicht. Wir können dies so interpretieren, dass er die selige Höhe als etwas durchaus Natürliches sieht, welches man durch eine große Liebe erreichen kann, oder dass er die selige Höhe nur durch seine Liebe zu Ulrike ergreifen kann. Wenn er vor ihr steht, verschwindet sein Eigennutz und Eigenwille vollständig. Durch die komplette Hingabe entmachtet das lyrische Ich sich freiwillig und gibt sich ganz und gar seiner Geliebten. Er hat keinen Eigenwillen mehr und existiert nur für sie. Da sie seine Liebe jedoch nicht erwidert, hat Goethe nun nichts mehr übrig. Dieses Gedicht könnte Goethes Versuch sein, seinen Schmerz auszudrücken und ihn zu verarbeiten.